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PflanzenphysiologieCohn gehörte mit Hugo von Mohl (1805-72), Nathanael Pringsheim (1823-94) und Wilhelm Hofmeister (1824-77) zu den vier großen Wissenschaftlern, die um 1850 die Botanik revolutionierten und die Pflanzenphysiologie zu einer Spezialdisziplin entwickelten. Wurde die Botanik bis dahin lediglich unter dem Blickwinkel des Sammelns und Systematisierens betrieben, begannen nun die Forscher, sich intensiv mit dem Aufbau der Zelle, insbesondere mit der Erforschung von Struktur und Funktion der Zelle und der pflanzlichen Organe und der Entwicklungsgeschichte der Pflanze zu beschäftigen. Die Anregung zu diesen Forschungen hatte das Werk von Matthias Schleiden (1804-88), "Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik" von 1842, gegeben. Eine wichtige Voraussetzung dafür bildeten die fortschreitenden technischen Verbesserungen der Mikroskope, die um 1850 eine ca. 500-fache Auflösung erreichten. Hinzu kamen die neuen Denkansätze und Arbeitsmethoden der exakten Naturforschung, die die bis dahin noch in der Biologie vorherrschenden Naturphilosophie verdrängten. Aufgrund vergleichender Forschung an mikroskopisch kleinen Organismen konnte Cohn 1850 die fundamentale Aussage formulieren, dass "das Protoplasma der Botaniker und die contractile Substanz und Sarcode der Zoologen, wo nicht identisch, so doch in hohem Grade analoge Bildungen sein müssen." Dies hatte weitreichende Konsequenzen für die weitere Grundlagenforschung in der Pflanzen- und Tierphysiologie, da nun das Bindeglied zwischen Pflanzen- und Tierreich gefunden worden war. Cohn erforschte außerdem den Entwicklungsgang mikroskopischer Algen, Pilze und Infusorien (Aufgusstierchen), wobei er auch Parallelen und Unterschiede von Zellwand und -membran und Zellplasma untersuchte. Er entdeckte neue Arten, erstellte ein natürliches Algensystem und begann 1875 mit der Herausgabe des dreibändigen Werkes "Kryptogamen-Flora in Schlesien". Mit der Erforschung der Entwicklungsgänge mikroskopischer Organismen trug er maßgeblich zur Aufklärung der damals zentralen und heiß diskutierten Frage bei, ob und welche dieser Organismen in das Pflanzen- oder Tierreich einzuordnen seien. Mit dieser Aufklärung sorgte er nicht nur für die Entmystifizierung zahlreicher Phänomene aus dem Mittelalter, wie der Bluterscheinung auf Hostien, sondern auch für die weitere Zurückdrängung der Urzeugungstheorie, einem Relikt aus der Antike, das die Entstehung von Leben aus organischem oder anorganischem Material zum Inhalt hatte. Ein weiteres Forschungsgebiet Cohns, das ihn aber nur am Rande interessierte, befasste sich mit den Ursachen und dem Verlauf von Pilzerkrankungen bei Pflanzen. Er kam zu dem Ergebnis, dass, nach damals gängiger Meinung, nicht nur durch falschen Standort oder falsche Ernährung geschwächte Pflanzen, sondern auch gesunde Organismen von Krankheiten befallen werden können. Wissbegier und Begeisterung für die Forschung waren der Motor, der Cohn bei der Ausübung seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit vorantrieb; denn bis zu seiner Ernennung zum außerordentlichen Professor 1859 war er auf die Unterstützung seines Vaters angewiesen. Seine ersten bahnbrechenden wissenschaftlichen Leistungen vollbrachte er unter heutzutage unvorstellbar schwierigen Bedingungen mit einem Mikroskop, das ihm sein Vater 1846 für die seinerzeit beachtliche Summe von 312 Gulden geschenkt hatte. Noch bis zur Gründung seines ersten pflanzenphysiologischen Instituts 1866 musste er unter großen persönlichen Opfern sein Leben als Wissenschaftler fristen. Aus finanziellen Gründen konnte er erst als 39-Jähriger heiraten und einen eigenen Hausstand gründen.
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