Sein Leben

Kurzbiografie

Ferdinand Julius Cohn wurde am 24. Januar 1828 in Breslau geboren als ältester Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, Isaak Cohn (1804-1883) und Amalie geb. Nissen. Die Großeltern väterlicherseits lebten noch eng verbunden mit der jüdischen Tradition im Breslauer Judenviertel. Die Eltern waren vom Breslauer Judenviertel in einen der christlichen Stadtteile gezogen. Sie hatten dort eine Oel-Raffinerie und einen Oel-, Seife- und Lichthandel gegründet, durch die sie mit ungeheurem Fleiß und Ehrgeiz zu Wohlstand kamen und in das Bürgertum aufstiegen. Der Vater wurde 1867 zum österreichisch-ungarischen Konsul ernannt und bekleidete zahlreiche einflussreiche Ämter in Breslauer Vereinen und Einrichtungen. So war er mehr als 15 Jahre lang Präsident des 800 Mitglieder umfassenden Kaufmännischen Vereins und aktives Mitglied der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Seinen Bildungshunger und seine Zielstrebigkeit, die ihn bis zur Erlangung des Doktorgrades auf dem Gebiet technischer Fortschritte führten, vermochte er auch auf seinen ältesten Sohn Ferdinand zu übertragen.

Als Zweijähriger kann Ferdinand bereits lesen, mit 3 Jahren ist er in Raffs Geschichte der Naturwissenschaften bewandert, ein Jahr später wird er eingeschult. Das humanistische Maria-Magdalenen-Gymnasium durchläuft er im Eiltempo. 1835 dort aufgenommen, verweilt er jeweils nur ein halbes Jahr in Sexta und Quarta und kommt bereits 1837 in die Untertertia. Zu diesem Zeitpunkt befällt ihn ein Ohrenleiden, weswegen er zur Kur sinnigerweise für ein halbes Jahr nach Berlin geschickt wird. Das Ohrenleiden bessert sich dort verständlicherweise nicht, dafür wirkt sich der Aufenthalt umso günstiger auf Ferdinands kulturelle Bildung aus, indem er viel Zeit in den dortigen Museen verbringt.

Ferdinand Cohn bedauerte später in seinen Tagebuchaufzeichnungen, dass er nie Zeit zum Spielen hatte, und dass er wegen der häufigen Klassenwechsel unter den Klassenkameraden keine Freunde hatte finden können. Hinzu kam eine schwächliche Gesundheit aufgrund mangelnder körperlicher Betätigung. So ließen in den Jahren, die seinem Berlin-Aufenthalt folgten, seine schulischen Leistungen nach, so dass er in den höheren Klassen teilweise länger als normal verweilen musste. Trotzdem bestand er mit 16 Jahren das Abitur und schrieb sich 1844 an der philosophischen Fakultät der Universität Breslau ein.

Zunächst studierte Cohn sowohl Geistes- als auch Naturwissenschaften, die damals noch in der Philosophischen Fakultät vereinigt waren, hörte Vorlesungen bei Gustav Freytag (1816-95) über Literatur und interessierte sich für Geschichte, Ästhetik, Philosophie und Sprachen. Auf naturwissenschaftlichem Gebiet hörte er Vorlesungen bei Heinrich Göppert (1800-84), dem berühmtesten Botaniker Schlesiens im 19. Jahrhundert und Begründer der Paläobotanik, und bei Christian Nees von Esenbeck (1776-1858), dem botanischen Berater Johann Wolfgang von Goethes. Sie beeinflussten ihn so stark, dass er sich entschloss, Botanik zu studieren.

Nach zweijährigem Studium der Botanik in Breslau musste Ferdinand Cohn als Jude zur Promotion nach Berlin gehen, weil er nach damaliger Gesetzgebung als Jude an der Breslauer Universität zum Abschlussexamen nicht zugelassen wurde. Der dortige Aufenthalt ließ ihn sowohl auf wissenschaftlichem als auch auf politischem Gebiet zur Persönlichkeit reifen, da er mit den größten Naturwissenschaftlern seiner Zeit in Kontakt kam. In der Mikrobiologie war vor allem der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts berühmte Naturforscher und Sammler Christian Ehrenberg (1795-1876) sein großer Lehrmeister. Außerdem erlebte er aktiv die Märzrevolution von 1848 mit, deren entmutigende Ergebnisse für nationale Einheit, Demokratie und Pressefreiheit ihn für seinen weiteren Lebensweg zu einer passiven liberal-demokratischen Haltung bewegten.

Am 13. November 1847, 19-jährig, wurde Ferdinand Cohn zum Dr. phil. mit magna cum laude promoviert. 1849 kehrte er nach Beruhigung der politischen Lage nach Breslau zurück. Ihn zogen nicht nur „tausend Bande“ wieder in die Heimat, sondern er hoffte auch, dort seine Pläne zur Gründung eines pflanzenphysiologischen Instituts nach dem Vorbild des ersten deutschen physiologischen Instituts von Johannes Purkinje (1787–1869) in Breslau verwirklichen zu können. In demselben Eiltempo wie Cohns Schul- und Studienzeit ist seine akademische Laufbahn nicht erfolgt. Obwohl er sich schon im Herbst 1850 in Breslau habilitierte und Privatdozent wurde, ließen die weiteren Ernennungen aus verschiedenen Gründen lange auf sich warten. Zum einen war das Kultusministerium nicht gewillt, für Cohn einen zweiten Botanik-Lehrstuhl speziell für Pflanzenphysiologie zu genehmigen, nachdem erst kurz zuvor der erste Lehrstuhl mit Heinrich Göppert als Ordinarius eingerichtet worden war. Andererseits betrieb der Unterrichtsminister Karl Otto von Raumer (1805–1859) in der Zeit von 1850 bis 1858 eine reaktionäre Politik, in der sich Cohns Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben nachteilig auswirkte. Da sich Cohn inzwischen durch seine außerordentlichen wissenschaftlichen Leistungen internationale Anerkennung erworben hatte, sah sich das Ministerium veranlasst, ihm 1857 die Würde eines außerplanmäßigen Professors zu verleihen; 1859 folgte die Ernennung zum außerordentlichen Professor, nachdem sowohl die Philosophische Fakultät der Universität Breslau als auch Cohn selbst darauf hingewiesen hatten, dass die Verleihung des Titels eines außerplanmäßigen Professors ohne dazugehörigen Status und ohne Gehaltserhöhung ein unhaltbarer Zustand sei. Er war damit der erste Professor jüdischen Glaubens in Deutschland. Überhaupt zeigte Cohn bei der Verwirklichung seiner beruflichen und wissenschaftlichen Ziele eine erstaunliche Hartnäckigkeit, Ausdauer und Willensstärke, wie sie aufgrund seiner sonstigen schüchternen, bescheidenen und harmoniebedürftigen Veranlagung nicht zu vermuten gewesen wäre. Die Gründung des ersten pflanzenphysiologischen Instituts in Preußen 1866 wurde ihm schließlich aufgrund seiner außerordentlichen wissenschaftlichen Leistungen gewährt. Zunächst wurde ihm die Leitung des Instituts übertragen, 1870 wurde er zu dessen Direktor ernannt und 1872 erhielt er die ordentliche Professur. Abgesehen von einigen Kompetenzstreitigkeiten mit seinen Kollegen, insbesondere mit Adolf Engler (1844-1930), die seiner harmoniebedürftigen Veranlagung widerstrebten, verlief sein weiteres Forscherleben bis zu seinem plötzlichen Tod im Juni 1898 in ruhigen Bahnen.

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